Leben aus der Poesie des Zen

 


Neuauflage meines ersten Buches Weil es Zen macht! als Kindle E-Book. 
Ohne die kritische Einleitung, nur mit Zen-Sprüchen und Kommentaren. Hier für 2,99 €.

Rezension I (Trappen)
Rezension II (Benkei)  [jeweils zur Print-Ausgabe]

Auszug:

Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Essen

Als mein Vater gestorben war, schaltete ich eine Todesanzeige in einer Zeitung und zitierte den obigen Zen-Spruch, obwohl mein Vater kein Buddhist war. Verstanden hat ihn kaum ein Leser, wie ich feststellen musste. Dabei sollte er das Wesen meines Vaters zusammenfassen. In einer alten Geschichte heißt es, Mönche hätten ihrem Meister die schwere Arbeit ersparen wollen, weil er schon alt und gebrechlich war, und deshalb eines Morgens die Gartenwerkzeuge versteckt. Doch der Alte sagte streng: „Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Essen.“ Und die Mönche mussten einsehen, dass der Meister sich sein Essen durch Arbeit verdienen wollte und mit einem Hungerstreik drohte.


Die Selbstversorgung, die zur Zen-Tradition gehört wie der Almosengang, erfordert zuweilen körperliche Anstrengung, etwa für den Reis- und Gemüseanbau. Mein Vater hatte nach seiner gewöhnlichen bezahlten Arbeit den Drang, sich abends und an Wochenenden in unserem Garten um allerlei Pflanzen wie Tomaten, Salate, Gurken, Karotten, ja sogar Kartoffeln zu kümmern. Als gelernter Landwirt wusste er genau, was zu tun war. Eines Tages kam es zum Reaktorunglück in Tschernobyl, und wegen des drohenden radioaktiven Niederschlags machte er sich Sorgen, ob sein Gemüse noch gesund sein würde.


Als mein Vater im Rentenalter an Krebs erkrankte, konnte er am Ende nichts mehr essen. Abgemagert lag er im Bett, mit Beuteln am Körper für seine Ausscheidungen. Draußen im Park trafen sich regelmäßig Jugendliche hinter unserem Garten und machten noch abends Lärm. Meinen Vater schien dies zu irritieren, weswegen ich kurzerhand die alte, vermodernde Bank, auf der die Jugendlichen saßen, durchsägte und entsorgte. Ich war hilflos, ich konnte sonst nichts mehr für ihn tun. All die Wundermittel, die für Krebskranke angeboten wurden zum Beispiel ein Pulver aus Haifischknorpeln (weil Haie angeblich nicht an Krebs erkrankten), worauf ich selbst hereingefallen war –, zogen an meinen Augen vorbei. Mein Vater konnte tatsächlich, auch wenn er gewollt hätte, nichts mehr essen, als er nicht mehr arbeitete.


 Die Möglichkeit, etwas vollbringen zu können – ob wir sie Arbeit nennen oder nicht –, ist ein wunderbares Geschenk. Auch an unseren freien Tagen können wir uns eine Kleinigkeit vornehmen, die zu „bearbeiten“ uns das Gefühl vermittelt, unser Essen verdient zu haben.


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